Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine beherrschen Warnungen über die Gefahr von Engpässen bei der weltweiten Lebensmittelversorgung und steigende Lebensmittelpreise die Schlagzeilen, die alle auf den Konflikt zurückzuführen seien. Vielen internationalen Gruppen zufolge besteht jedoch derzeit kein Risiko einer weltweiten Nahrungsmittelknappheit. Warum also sehen sich jetzt so viele Länder mit einem erhöhten Risiko der Ernährungsunsicherheit und im schlimmsten Fall einer Hungersnot konfrontiert?
Was bei den meisten Diagnosen der gegenwärtigen Ernährungskrise übersehen wird, ist, dass das Problem nicht in einem mangelnden Angebot oder einer fehlenden Marktintegration liegt, sondern vielmehr in der Art und Weise, wie das Ernährungssystem im Hinblick auf Macht strukturiert ist.

Im neuen Bericht von Navdanya International »Sowing Hunger, Reaping Profits« wird ausführlich dargelegt, dass wir schon lange vor dem aktuellen Konflikt mit einer Nahrungsmittel- und Unterernährungskrise konfrontiert waren.
Von der Kolonialzeit, in der die Ausbeutung von Kleinbauern begann, über die Grüne Revolution bis hin zur Konkretisierung des globalisierten Freihandelsregimes haben wir die vorsätzliche Zerstörung von Kleinbauern und Ernährungssouveränität zugunsten der Macht der Konzerne erlebt.
Es ist daher kein Zufall, dass wir heute Zeugen der dritten großen Ernährungskrise in den letzten 15 Jahren sind.
Der russisch-ukrainische Konflikt hat wieder einmal deutlich gemacht, wie anfällig die globalisierten Ernährungssysteme sind. Das derzeitige globalisierte agrarindustrielle Modell ist ein System, das Hunger mit Absicht erzeugt.
Das Schlimmste aber ist, dass internationale Institutionen, Regierungen und Unternehmen die derzeitige Krise nutzen, wie sie jede Krise genutzt haben: um dieses gescheiterte Modell weiter zu konsolidieren. Falsche Lösungen und der überflüssige Ruf nach gescheiterten Ansätzen sind in den Schlagzeilen und internationalen Reaktionen allgegenwärtig.
Die aktuelle Krise sollte ein Weckruf für die Notwendigkeit sein, durch Agrarökologie, lokale Lebensmittelketten und die Stärkung von Kleinbauern die Widerstandsfähigkeit von Ernährungssystemen zu verbessern. Mehr denn je kann eine Transformation der Ernährungssysteme in Richtung Ernährungssouveränität auf der Grundlage der Agrarökologie und der Erhöhung der biologischen Vielfalt zu einer dauerhaften Lösung des Hungers beitragen. Überall auf der Welt folgen viele dem Weg der giftfreien Ernährung und Landwirtschaft und begeben sich auf einen ökologischen und demokratischen Weg, der das Ernährungssystem in die Hände von Gemeinschaften, Frauen, Bauern und Verbrauchern legt. Nur durch lokale, agrarökologische Ernährungssysteme können die systemische Abhängigkeit von Düngemitteln, Spekulation mit Agrarrohstoffen, Importabhängigkeit und systemische Armut bekämpft werden. Dies ist das wirksamste Mittel, um unsere Landwirtschaft, unsere Böden, unsere Lebensmittel, unsere natürliche Umwelt und unsere Zukunft zurückzuerobern.
Aufruf zur Kampagne »Unser Brot, unsere Freiheit«
Vom 2. bis zum 16. Oktober 2022 (und darüber hinaus…) sind alle eingeladen, sich Menschen und Gemeinschaften auf der ganzen Welt anzuschließen und gemeinsam die Kampagne »Unser Brot, unsere Freiheit« zu starten, um unser Saatgut, unsere Nahrung, unsere Demokratie und unsere Freiheit zurückzuerobern und eine Erddemokratie zu schaffen, die auf lebendigem Saatgut, lebendigem Boden, gesunden Gemeinschaften und lebendigen Ökonomien der Fürsorge basiert.
Original-Pressemitteilung vom 14.07.2022: https://navdanyainternational.org/new-report-sowing-hunger-reaping-profits-a-food-crisis-by-design/
Bild: Navdanya