Dieses Jahr fällt der Internationale Frauentag auf denselben Tag wie Holi, das Fest der Farben, der Freude und der Vielfalt. Bei diesem Fest gehen Millionen von Menschen auf die Straße, um den kommenden Frühling zu feiern, indem sie buntes Pulver in vielen Farben in die Luft werfen und verstreuen. Im Laufe der Jahre sind diese Farben jedoch zunehmend unnatürlich und oft giftig geworden, da die industrielle chemische Produktion die traditionelle, natürliche Herstellung verdrängt hat.
Auf der Navdanya-Farm an der Earth University lehren wir, wie man diese Farben auf natürliche Weise aus Pflanzen gewinnt. Es sind die Farben der Biodiversität, die uns daran erinnern, wie wichtig die Vielfalt in der Natur und in unserer Gesellschaft ist.
Vor mehr als 20 Jahren startete Navdanya die Kampagne zur Rückgewinnung der Verwendung natürlicher Inhaltsstoffe für die Herstellung von Holi-Farben und initiierte die Bewegung »Diverse Women for Diversity«, in der Frauen aus verschiedenen Regionen und Nationen der Welt und aus unterschiedlichen kulturellen, religiösen und sozioökonomischen Bedingungen zusammenkommen. Auf dem WTO-Gipfel in Seattle 1999 erklärten wir unser gemeinsames Ziel: »Biologische und kulturelle Vielfalt als Grundlage des Lebens auf der Erde. Deshalb stehen wir für Autonomie, Eigenständigkeit und Solidarität, sowohl lokal als auch global«.
Diverse Women for Diversity ist ein Netzwerk, das sich aus unserer Arbeit zum Welternährungsgipfel der Vereinten Nationen entwickelt hat, um Ernährungssouveränität in den Händen von Frauen zu halten und die räuberischen Praktiken der Agrarindustrie zu bekämpfen, die Ursache für zahlreiche Krisen sind, von Hunger über chronische Krankheiten bis hin zur Zerstörung der Biodiversität. Wir arbeiten auch im Rahmen des internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, kurz CBD), um die Erde, Menschenrechte und künftige Generationen zu schützen.
Seit Tausenden von Jahren stellen Frauen die Ernährungssicherheit für ihre Kinder und Gemeinschaften sicher. Auch heute noch wird die Hauptanteil der Arbeit zur Aufrechterhaltung der Ernährungssicherheit von Haushalten durch die lokale Erzeugung, Verarbeitung und Verteilung von Lebensmitteln durch Frauen auf der ganzen Welt gewährgeleistet.
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Bereits 1996, anlässlich der Internationale Technischen Konferenz der FAO (Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen) über pflanzengenetische Ressourcen in Leipzig, erklärten wir:
»Ernährungssicherheit für alle ist in einem globalen Marktsystem, das auf dem Dogma des Freihandels, des permanenten Wachstums, des komparativen Vorteils, des Wettbewerbs und der Gewinnmaximierung beruht, nicht möglich. Andererseits kann Ernährungssicherheit sehr wohl erreicht werden, wenn sich Menschen in ihren lokalen und regionalen Wirtschaften sowohl als Erzeuger als auch als Verbraucher für die ökologischen Bedingungen der Produktion, Verteilung und des Verbrauchs von Nahrungsmitteln sowie für die Erhaltung der kulturellen und biologischen Vielfalt verantwortlich fühlen, in der die Selbstversorgung das Hauptziel ist.
Unsere Ernährungssicherheit ist eine zu lebenswichtige Angelegenheit, als dass sie in den Händen einiger weniger transnationaler Konzerne mit ihren Profitinteressen liegen darf oder in den Händen nationaler Regierungen, die zunehmend die Kontrolle über Entscheidungen zur Ernährungssicherheit verlieren oder in den Händen einiger weniger, meist männlicher nationaler Delegierter auf UN-Konferenzen, die Entscheidungen treffen, die unser aller Leben betreffen. Ernährungssicherheit muss überall in den Händen der Frauen bleiben! Wir werden uns denen widersetzen, die uns zwingen wollen, auf eine Art und Weise zu produzieren und zu konsumieren, die die Natur und uns selbst zerstört.«
Seit den 1990ern haben wir im Laufe der Jahre viele Treffen veranstaltet. In diesem Jahr kamen vom 2. bis 8. März über 150 Frauen aus aller Welt auf der Navdanya-Farm in Dehradun, Indien, zum internationalen Festival »Diverse Women for Diversity« zusammen.
Etwa fünfzig VertreterInnen aus mehr als zwanzig Ländern, darunter Latein- und Nordamerika, Europa und das Vereinigte Königreich, Japan, Australien und Afrika, trafen sich mit mehr als hundert VertreternInnen lokaler Bewegungen aus 21 Staaten Indiens und Südostasiens, um gemeinsam die Vielfalt der Kulturen, der Lebensmittel und des Wissens zu feiern. Wir stehen für die kulturelle Vielfalt. Wir sind für die biologische Vielfalt in all ihren Formen. Wir sind gegen die vorherrschende Monokultur in den Köpfen und gegen das neuartige Überwachungssystem, das eine ultimative Form der Militarisierung der Gesellschaft ist. Wir verteidigen die Freiheit der Menschen und die Freiheit aller Arten, sich zu entwickeln und in Harmonie miteinander zu leben.
Vor etwa 20 Jahren, als wir damit begannen, Gifte aus unseren Lebensmitteln zu entfernen und stattdessen mit der biologischen Vielfalt zusammenzuarbeiten, Pflanzen und Bäume als Schädlingsbekämpfungsmittel zu verwenden, Biomasse und organische Stoffe in Dünger zu verwandeln, haben wir auch mit Holi die erstaunliche biologische Vielfalt der Farben regeneriert und wieder zum Leben erweckt. Jede Pflanze gibt uns eine Farbe, und wir stellen unsere eigenen Farben her. Auch in diesem Fall ist also biologische Vielfalt die Antwort auf Chemikalien. Biologische Vielfalt ist die Antwort auf Öl und fossile Brennstoffe. Biologische Vielfalt wird von indigenen Völkern und von Frauen bewahrt. In den 20 % der Weltgebiete, in denen indigene Völker leben, werden 80 % der Biodiversität der Erde bewahrt. Und sie bewahren das Wissen über die biologische Vielfalt, darüber, welche Pflanze eine Heilpflanze, welche Pflanze ein Mittel zum Färben, welche Pflanze ein Mittel zur Schädlingsbekämpfung ist. Dieses Wissen liegt in den Händen von Frauen. Und so feiern wir mit Diverse Women For Diversity sowohl den Frauentag als auch Holi als den Tag der Vielfalt mit der Natur.
Vandana Shivas Video-Botschaft zum Holi und Weltfrauentag
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Aus den Diskussionen, Beiträgen und schriftlichen Eingaben auf der Versammlung von Diverse Women for Diversity aus allen Teilen der Welt und aus allen Lebensbereichen in Dehradun, Indien, Anfang März 2023 ist ein Manifest entstanden. Dieses wurden mit Beiträgen und Ausarbeitungen des Redaktionsteams, Vandana Shiva, Caroline Lockhart und Nadia El-Hage, zusammengeführt.
Hier geht es zum PDF-Download – aktuell noch in Rohfassung
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